
Aufsicht und Haftung in der Schule
Wesen der Aufsichtspflicht
In den Pflicht- und weiterführenden Schulen bedürfen die minderjährigen Schülerinnen und Schüler einer besonderen Aufsicht. Ein Erziehungsziel ist es, die Fähigkeit der Jugendlichen zu selbstständigem und eigenverantwortlichem Handeln zu fördern. Diesem Erziehungsziel muss sich die Aufsicht anpassen.
Eine ständige Überwachung würde die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen zu selbstständigen Persönlichkeiten behindern. Die Fürsorge der Schule erstreckt sich dabei auf die besonderen Unfallgefahren bei den verschiedenen schulischen Veranstaltungen, in denen die Schüler der Schule und den Lehrern zur Unterrichtung und Erziehung anvertraut sind. Die Dienstpflicht des Lehrers zur Aufsicht besteht gegenüber dem einzelnen Schüler beziehungsweise der einzelnen Schülerin – und das bei allen Aktivitäten, in denen Kinder und Jugendliche in größeren Gruppen und oft auf engem Raum miteinander umgehen.
Die Aufsicht beschränkt sich zeitlich und räumlich auf den schulischen Bereich. Dazu gehören
- Unterricht, Arbeitsgemeinschaften und eine angemessene Zeit davor und danach (in Länderregelungen festgelegt),
- Pausen,
- Schulwanderungen und Klassenfahrten sowie
- sonstige schulische Veranstaltungen, auch wenn die Teilnahme den Schülerinnen und Schülern freigestellt ist.
Ob es sich bei einer Veranstaltung um eine schulische Veranstaltung handelt, entscheidet in der Regel die Schulleitung nach pflichtgemäßem Ermessen.
Kontinuierliche Aufsichtsführung
bedeutet, dass die Aufsicht grundsätzlich ununterbrochen ausgeübt werden muss. Da die Lehrkraft nicht jedes einzelne Kind ständig im Auge behalten kann, müssen sich die Schüler und Schülerinnen zumindest durch die Anwesenheit der Lehrkraft beaufsichtigt fühlen. Ist die Lehrkraft aus persönlichen oder dienstlichen Gründen gezwungen, den Ort der Aufsichtsführung zu verlassen, so muss er alle zumutbaren Vorkehrungen treffen, um für die Zeit seiner Abwesenheit Gefahren für oder durch die Schülerinnen und Schüler abzuwenden.
Aktive Aufsichtsführung
bedeutet, dass die Lehrkraft sich in der Regel nicht mit Warnungen und Weisungen an die Schüler zur Verhütung von Unfällen und Schäden begnügen darf. Sie muss vielmehr im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren Vorsorge für den Fall treffen, dass ihre Ermahnungen nicht beachtet werden. Verbote muss sie erforderlichenfalls durchsetzen.
Präventive Aufsichtsführung
bedeutet umsichtiges und vorausschauendes Handeln, z. B. bei der Pausenaufsicht, bei Klassenfahrten, Wanderungen oder Klassenfeiern.
Die Lehrkraft muss sich stets überlegen, ob durch die örtlichen oder zeitlichen Verhältnisse oder aus einem Verhalten der Schülerinnen und Schüler Gefahren entstehen können und wie sie diese Gefahren abwenden kann. Dazu gehört z. B. die Anordnung eines ausreichenden Sicherheitsabstands vor der Bushaltestelle beim Schulausflug ebenso wie die Warnung der Schülerinnen und Schüler vor zurückschnellenden Ästen beim Waldlauf.
Haftung der Lehrkraft bei Aufsichtsverletzung
Wird ein Schüler oder eine Schülerin im Zusammenhang mit dem Schulbesuch verletzt, stellt sich die Frage nach der Haftung der Lehrkraft. Dabei kann sich eine Haftung in dreierlei Hinsicht ergeben:
- Zivilrechtliche Haftung (Schadensersatz)
- Strafrechtliche Haftung
- Disziplinarrechtliche Haftung
Personenschäden von Schülerinnen und Schülern
Schulträger, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler oder sonst in der Schule tätige Personen (Schulsekretärin, Hausmeister, freiwillig Helfende, Begleitpersonen bei schulischen Veranstaltungen) sind grundsätzlich von der zivilrechtlichen Haftung freigestellt (§§ 104 ff, § 106 Abs. 1 SGB VII).
Dieses sogenannte Haftungsprivileg schließt Ansprüche der Schüler und Schülerinnen gegenüber der Lehrkraft (oder gegenüber den sonstigen Personen) und umgekehrt aus. Ausgeschlossen werden damit insbesondere der Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB und der Anspruch auf Schmerzensgeld gegen eine Lehrkraft, die ihre Aufsichtspflicht verletzt hat.
Personenschäden Dritter und Sachschäden
Soweit es sich um Personenschäden schulfremder Dritter oder um Sachschäden handelt, sind bei öffentlichen Schulen Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der Aufsicht nicht gegen die Lehrkraft, sondern stets gegen den Dienstherrn oder die Dienstherrin zu richten (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG).
Das Haftungsprivileg des SGB VII entlässt die Lehrkraft, die vorsätzlich oder grob fahrlässig ihre Dienstpflichten verletzt, nicht aus jeglicher finanzieller Verantwortung.
Sowohl der Dienstherr oder die Dienstherrin als auch der Unfallversicherungstragende können Ersatz des von ihnen zugunsten eines verletzten Schülers oder einer verletzten Schülerin gemachten Aufwendungen verlangen, wenn die Lehrkraft vorsätzlich oder grob fahrlässig ihre Pflichten gegenüber den ihr anvertrauten Kindern vernachlässigt hat.
- Aufsicht in Schulen (PDF)
- Schulwandererlass (PDF)
- Schwimmunterricht (PDF)
- Mit der Schulklasse sicher unterwegs, DGUV Information 202-047